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07
Oktober
Die Gastfamilie
Vielleicht hat sich mir zum letzten Mal in meinem Leben die Chance aufgetan, ein Land „von innen nach außen“, aus seinem kleinsten Glied heraus kennen zu lernen. Die Chance, fern von allen Lehrbüchern die alltägliche Sprache zu erleben. Und vor allem: die Hoffnungen, Ängste, Wünsche und Sorgen der Menschen hier zu erfahren, die alltäglichen Ärgernisse und kleinen täglichen Freuden mitzuerleben.
Im Wohnheim hatte ich das Gefühl in einer „Ausländerblase“ zu wohnen. Jetzt hab ich diese Blase durchstochen und bin mitten drin: Meine Gastfamilie besteht aus „Jiejie“ (das heißt eigentlich „ältere Schwester“, ich finde es schön meine Gastmutter so nennen zu dürfen), „Jiefu“ (das ist der Ehemann der älteren Schwester) und deren Sohn Liu Kainan. Darüber hinaus habe ich noch einen Gastbruder „Ma di a si“ (Matthias) aus Deutschland. Wir beide wohnen nun seit einigen Wochen hier, so wie früher die Studenten in Deutschland ja auch oft ein Zimmer in einer Familie gemietet hatten. Ich kann hier essen und am Familienleben teilnehmen, mich aber auch zurückziehen und kommen und gehen wann ich will. Bisher klappt das alles sehr gut und ich fühle mich von Tag zu Tag wohler. Besonders mit Jiejie verstehe ich mich sehr gut, sie ist eine intelligente und sehr herzliche Frau, oft sitzen wir abends noch gemeinsam auf dem Sofa und reden über – nun ja, alles was mein Chinesisch bisher so zulässt. Sie fragt viel über Deutschland, über mein Auslandsjahr in Australien und AFS, sie erzählt von ihrer Familie und davon, wie wichtig es ist, dass in der Familie alle zusammen halten. Ich erzähle ihr von meiner Familie und meinen Freunden und habe dabei das schöne Gefühl, endlich richtig angekommen zu sein. Hier ein Bild aus einem kleinen Museum in der Nähe von Dalian.
26
September
Das Rotzen
„Eine fremde Kultur erleben“, „interkulturelle Differenzen“, „andere Länder andere Sitten“ – all diese schwammigen Phrasen werden mit einem satten Geräusch zur handfesten Realität.
Denn im Gegensatz zu uns Europäern, die wir den Überschuss unserer Nasen- und Mundschleimhäute liebevoll in Zellulose und Aloe Vera verpacken, sind viele Chinesinnen und Chinesen Anhänger der pragmatischern Methode: Tief unten sammeln, kräftig hochziehen und raus damit! Hcccccchrrrt phhhh! Herrlich. Auf der Straße, im Schwimmbad sowieso, im Flugzeug und nicht zu letzt in meinem Wohnheim. Morgens noch im Halbschlaf holt mich das satte Rotzen des eben erwachten Nachtwächters aus meinen Träumen zurück nach China. Am Strand in der Sonne liegend hofft man inständig, der Generator dieses Geräusches möge die Meeresbrise in die Flugkurve mit einberechnet haben. Schon Chinas großer Vordenker zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Sun Yatsen, bemängelte diese Angewohnheit seiner Landsleute. Abstoßend und vor allem gegenüber westlichen Besuchern untragbar erschien ihm diese (Un-)Sitte. Heute, hundert Jahre später, scheint sein Mahnen Gehör zu finden. Erstaunt lauscht der Sinologie Student im Jahr 2006 der Stille im ständigen Lärm Beijings. Am dritten Tag die Erleichterung. Hcccccchrrrt phhhh, ertönt es herzhaft auf dem Gehsteig. Die Umerziehung (für Olympia?) scheint also doch noch nicht ganz vollzogen. Interessant ist auch die Zwischenvariante: Hcccccchrrrt…eilige Schritte zum nächsten Mülleimer…phhhh…die Erleichterung. Auch die Flugkurve in nur zur Seite offene Mülleimer will wohl berechnet sein. Wäre es nun schade, würde es tatsächlich gelingen auch dem bodenständigsten Chinesen das beherzte Ausspucken auszutreiben? Es würde jedenfalls eine (grünlich-gelbe) Farbe aus dem bunten Fächer der interkulturellen Vielfalt unserer Erde nehmen.
Die Gerüche
Eigentlich ist es jetzt – drei Wochen nach meiner Ankunft in China – schon fast zu spät für diesen Eintrag. Denn so richtig intensiv habe ich die Gerüche hier nur in den ersten Tagen wahrgenommen, mittlerweile hat sich meine Nase an Vieles schon gewöhnt. Der meiner Meinung nach „chinesischste“ aller Gerüche ereilt einen in den kleinen Seitenstraßen. Dieser süßlich-faulige Geruch ist so penetrant und fremdartig, so Ekel erregend und abenteuerlich zugleich. Ursprung sind die großen Abfallberge auf den Gehsteigen und ich glaube besonders die vielen verschiedenen Essensreste sind für diesen Geruch verantwortlich.
Zum Glück erwischt man davon in der Regel nur „eine Nase voll“. Gut möglich, dass einem im Weitergehen der Duft der köstlichen Fleischspieße in die Nase steigt, die auf kleinen rechteckigen Kohlegrills auf hungrige Münder warten. Der Geruch in meinem Wohnheimszimmer ist einfacher zu beschreiben: Marke „Nasser Hund“. Ich weiß nicht genau ob das ständige Lüften geholfen hat oder ob ich mich schlicht auch an diesen Geruch gewöhnt habe. Noch nicht gewöhnt habe ich mich ganz eindeutig an den Geruch, der aus meinem Badezimmer kommt, wenn es hier im Haus gerade warmes Wasser gibt und alle eifrig duschen. Das riecht – nun ja – nach alle dem was in den Rohren so unterwegs ist. Ähnlich ist auch der Geruch in den Toiletten an der Uni, der beweist, dass längst nicht alle Austauschstudenten mit den chinesischen „Loch im Boden“ - Toiletten umgehen können. Erholen können sich sämtliche Geruchsnerven am Meer, der salzige Geruch von endloser Weite entschädigt für alles andere. Überglücklich habe ich neulich meine Nase in dem auf der Leine getrockneten Handtuch vergraben. „You can smell sunshine.“ So hat ein australischer Freund diesen Geruch einmal beschrieben. Und in diesem Handtuch konnte man wirklich die Reinheit jedes einzelnen Sonnenstrahls riechen.
14
September
Die Universität
Eigentlich sollte diese Überschrift „Die Schule“ heißen. Denn nicht nur die niedrigen Stühle und Tische erinnern an die siebte, achte Klasse: die Lehrer, die Unterrichtsmethoden, das Ausmaß an Eigenverantwortung das man uns hier zutraut – all das hat mit Universität im deutschen Sinne nur wenig zu tun.
Trotzdem bin ich recht zu frieden, denn auch als „Achtklässlerin“ lerne ich hier jede Menge. Nach einem Sprachtest wurde ich in die Mittelstufe eingeteilt. In meiner Klasse sind außer mir nur Koreaner und Japaner, ich kann mich also mit meinen Kommilitonen nur auf Chinesisch unterhalten. Der Stundenplan ist fest vorgegeben und enthält Kurse in Leseverständnis, Konversation und Hörverständnis. Darüber hinaus gibt es noch einen Kurs in dem Zeitungsartikel gelesen werden. Alles in allem entspricht das in etwa dem, was ich mir vom Unterricht hier erhofft hatte. Ich muss viele, viele Vokabeln lernen, meine asiatischen Kommilitonen sind mir was das Zeichen lesen und schreiben angeht um einiges voraus. Dafür fällt mir das Sprechen leichter. Außer in Konversation gibt es allerdings kaum Gelegenheit im Unterricht zu sprechen – die Lehrer hier beantworten die Fragen, die sie stellen für gewöhnlich selbst. Glücklicherweise habe ich bereits eine chinesische Sprachpartnerin gefunden: Zheng Qian studiert Lehramt „Chinesisch für Ausländer“ und möchte das Unterrichten ausprobieren. Besser hätte ich es kaum treffen können.
Die Stadt am Meer
Dalian. Nun bin ich schon fast eine Woche hier und immer noch überlege ich, wie man jemandem der noch nie hier war, jemandem der vielleicht noch nie in China war, diese Stadt beschreiben kann.
Ehe ich hierher kam hatte ich immer wieder gehört, Dalian sei eine schöne Stadt, mit russischen und japanischen Einflüssen und schönen Stränden. Jemand sagte auch, Dalian sei eine „sehr chinesische Stadt“ und nach meinen bisherigen Eindrücken war das vielleicht die beste Beschreibung – zumindest für alle diejenigen, die wie ich noch relativ wenig von China gesehen haben. Ins Auge fallen die vielen, vielen kleinen Geschäfte: kleine Supermärkte und Lebensmittelgeschäfte, Friseure, Klamottenläden, Werkstätten, dazwischen all die Essensstände und kleinen Restaurants, die Schuhputzer und Flaschensammler. Insgesamt scheint alles viel schmutziger, lauter, wilder und irgendwie rotziger als in Deutschland. Der Bus muss nicht schön sein, er muss nur fahren. Und das tut er: ächzend und quietschend rumpelt er sich durch das Gedränge, innen wie außen abgewetzt und verbraucht, laut röhrend und scheinbar ohne jeden Stoßdämpfer. Doch am Steuer dieses eisernen Ungetüms sitzt eine zierliche Chinesin, ihre Fußnägel sorgfältig lackiert, ihre Stöckelschuhe ganz verloren auf dem großen Gaspedal. Die meisten Wohnhäuser sind von außen furchtbar hässlich, voller Klimaanlagen und trocknender Wäsche, auch die Treppenhäuser haben außer Estrich und Schmutz meist nicht viel zu bieten. Umso mehr staunt der Besucher, wenn sich ihm hinter der Wohnungstür ein kleines, wohl gepflegtes Paradies eröffnet. Selbstverständlich, dass man zwischen Estrich und Parkett die Schuhe wechselt. Verrückt an Dalian sind die vielen Rolltreppen, die fast immer in riesige, unterirdische Shopping Malls führen. Dort unten erlebt man eine pure Reizüberflutung. Westliche und chinesische Supermarkt- und Fastfood- Ketten, Werbung, Verkäuferinnen, all die Kunden, all die bunten Marken und Produkte, Lärm, Gedränge…nichts wie zurück an die Oberfläche, denn: Ja! Dalian ist eine schöne Stadt. Mit äußerst gepflegten Rasenflächen mitten im Zentrum, alten russischen Gebäuden, modernen Hochhäusern, teuren Hotels, sehr edlen Appartementhäusern am Meer und – mit vielen Stränden. Bisher habe ich erst zwei dieser Strände gesehen, der deutsche Pauschal-Urlauber wäre von beiden enttäuscht, keine Palmen, kein Sand, kein einsam. Aber Schwimmen kann man hier allemal und lässt man seinen Blick schweifen über die kleinen Inselgruppen und die grünen, hügeligen Bergketten, entstehen durchaus Urlaubsgefühle. Nicht zu vergessen ist an dieser Stelle, das, während Chinas Metropolen im Smog versinken, eine frische Meeresbrise durch Dalian weht, was ganz entscheidend zur Lebensqualität beiträgt. Alles in allem ist Dalian eine faszinierende Stadt, weil sie so ungeheuer kontrastreich ist. Und vielleicht ist ja genau das „sehr chinesisch“.
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