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21
Februar
Das Miststück
Yingying und ich sind gerade aus dem Tosen des Shanghaier Straßenverkehrs in ein Taxi gefallen. Eben noch vogelfreie Fußgänger auf der sechsspurigen Handan Road, atmen wir erst einmal mal tief durch.
Wohin es denn gehen soll, will der Taxifahrer von uns wissen. Yingying nennt ihm die nächste U-Bahn Station. „Von da aus fahren wir dann zum Century Park“, erwähnt sie scheinbar beiläufig und der Taxifahrer wittert seine Chance: da könne er uns auch hinfahren, das sei doch viel angenehmer und schneller. Yingying sagt darauf erst einmal nichts. Die Fahrt von der Fudan University bis zum Century Park führt einmal quer durch die Stadt. Und kostet mehr, als wir beide uns leisten wollen. „Dage! Großer Bruder!“ schmeichelt sie dem Taxifahrer dann: „Vor kurzem wurde doch der Grundpreis pro Taxifahrt erhöht, wegen des hohen Ölpreises.“ Der Taxifahrer nickt. „Und jetzt ist der Ölpreis wieder gesunken, der Grundpreis für die Taxis wird aber nie wieder runtergehen! Da machst du aber ganz schön Kohle!“ Der Taxifahrer grinst und willigt im nächsten Augenblick dem von Yingying vorgeschlagenen Preis für die Taxifahrt ein. Das ginge schon in Ordnung, durch den niedrigen Ölpreis würde er immer noch ordentlich verdienen, sie studiere Internationale Politik und würde sich mit so was auskennen. Der Taxifahrer nickt, der Deal ist gemacht. Yingying und ich unterhalten uns auf der Rückbank und so bekommt der Taxifahrer Zeit nach zu denken. Und allmählich geht ihm ein Licht auf – Ölpreis hin oder her, für den Preis diese Strecke - das ist doch ein Witz! Ungläubig schüttelt er den Kopf und möchte noch einmal verhandeln. Diesmal grinst Yingying: „Ach, Dage, du kannst doch auch einmal zwei Mädels einen Gefallen tun, oder?“ Der Taxifahrer scheint nicht so recht zu wissen ob er nun lachen oder weinen soll, aber irgendwie findet er die ganze Sache dann auch recht komisch und fährt uns – ans andere Ende der Stadt.
17
Januar
Das andere Weihnachtsfest
Weihnachten 2006 in China – da werde ich wohl immer an dieses Bild zurückdenken: Die kanadische Austauschschülerin, die auf der Weihnachts- und Neujahrsfeier der Uni einen wunderbar hässlichen Plastikweihnachtsbaum ergattert hat. Mit diesem Baum versucht sie die Huanghe Lu zu überqueren, eine sechsspurige Straße die sich wie ein breiter Graben durch unser Viertel zieht. Es ist kalt und windig, und aus der Dunkelheit kommen unzählige Lichter auf das kanadische Mädchen mit ihrem Weihnachtsbaum zugeschossen. Sie weicht aus, spring auf die nächste Spur, Bremsen quietschen, Hupen – „Don’t hit me, I’ve got a Christmastree!“ kreischt sie in den Wind. Autos von allen Seiten. Mit einem beherzten Sprung schaffen es Mädchen und Baum über die letzte Spur und auf den Gehsteig. Stille Nacht, heilige Nacht.
Weihnachten gibt es in Dalian in den großen Shoppingcentern. Und am 24. Dezember abends, beim Spanier, wo sich die westlichen Austauschstudenten zum Weihnachtsabendessen verabredet haben. Am 25. und 26. Dezember dagegen winken eben diesen Austauschstudenten die Semesterabschlussklausuren. Rücksichtslos? Man stelle sich den chinesischen Maschinenbaustudent in Deutschland vor, der, nachdem seine 599 Kommilitonen den Vorlesungssaal verlassen haben, versucht seinem Professor zu erklären, dass der Klausurtermin so nicht in Ordnung ginge: Frühlingsfest! Das scheint mir ohnehin ein ganz guter Vergleich: So wie wir in Deutschland schon irgendwie wissen wann Frühlingsfest ist – weiß man auch in China wann Weihnachten ist und auch so in etwa was das bedeutet. Das ein oder andere kleine Geschenk wechselt den Besitzer, meist Pralinen oder – da ähnlich ausgesprochen wie „Frieden“ – ein Apfel. In meiner Gastfamilie war Weihnachten vor allem eins: Ein Meilenstein auf der langen, langen Wegstrecke bis es endlich, endlich wieder Frühlingsfest ist.
26
November
Die Heizung
Wenn sich in Deutschland allmählich die Blätter an den Bäumen verfärben, die Tage kürzer werden und die Kälte der Morgenstunden an den kommenden Winter erinnert – dann wird in den Wohnsiedlungen auf den Dörfern diskutiert.
„Uns reicht noch der Kachelofen.“ „Was? Wir heizen schon seit zwei Wochen, das Bad ist sonst immer so kalt.“ „Nun ja, der Ölpreis ist ja auch wieder…die Fußbodenheizung läuft bei uns noch nicht.“ In China ist das ganz anders. Hier bekommt das Wort „Zentralheizung“ eine ganz andere Bedeutung. Es wird eben „zentral geheizt“. Ab dem 15. November. In ganz Nordchina. Bis zum 15. März. Wetter: egal. Eines Morgens Ende Oktober hat es hier geschneit. In meinem Zimmer war es da schon ganz schön – unwarm. „Mehr anziehen!“ heißt die Parole in dieser Zeit. Und mit dicken wollenen langen Unterhosen in den großartigsten Farben trotzt man hier jedem Schneesturm – selbst wenn es der durch die schlecht isolierten Fenster bis ins Wohnzimmer schafft. Schließlich war es dann so weit: Der lange ersehnte 15. November. Heizung für alle! Raus aus den Wollunterhosen! Wärme! Juhu! Auch was die Temperatur angeht ist die Heizung hier „zentral“: die Heizkörper haben keinen Thermostat. Wem es zu warm wird, der macht eben das Fenster auf und sollte es zu kalt sein gibt es ja noch die wollenen Unterhosen. Die Heizkosten lassen sich dadurch ganz pauschal berechnen. Man bezahlt pro Quadratmeter Wohnfläche. In manchen Wohnungen wird dreimal täglich geheizt: Morgens, Mittags, Abends. Nicht so bei uns. In meiner Gastfamilie läuft die Heizung 24 Stunden am Tag. Welch Luxus. Doch was vor der Heizperiode noch sehr verheißungsvoll geklungen hat, zeigt jetzt seine Kehrseite: Rund um die Uhr wird volle Pulle geheizt. Der Heizkörper ist direkt neben meinem Bett. Ein riesiger Heizkörper für ein kleines Zimmerchen. Ich werde gegrillt wie ein Dönerspieß. Und ironischer Weise ist das Wetter jetzt wieder sehr mild geworden. Fenster auf. Lüften. Ich kann ja lüften. Wäre da nicht…ja, wäre da nicht…wäre da nicht der Fisch, den meine Gastmutter auf dem kleinen Balkon vor meinem Fenster trocknet. Für den Winter. Jiejie hebt entschuldigend die Schultern. Neulich als es regnete hätte sie vergessen den Fisch von der Leine zu nehmen. Jetzt würde der eben ein bisschen riechen. Aber dann im Winter sehr gut schmecken. Doch, ganz lecker, ganz sicher. Manchmal, wenn man durch eine chinesische Stadt läuft, vorbei an den großen Shopping-Malls, vorbei an all den Starbucks, KFCs und McDonalds, dann beschleicht einen das Gefühl, die Welt sei überall gleich, eintönig und furchtbar langweilig geworden. Ein Alptraum, aus dem ich verschwitzt hochschrecke: es ist drei Uhr morgens, in meinem Zimmerchen herrschen tropische Temperaturen und draußen wiegen sich die Fische an der Leine im silbernen Mondlicht. Alles in bester Ordnung.
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