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26
September
Das Rotzen
„Eine fremde Kultur erleben“, „interkulturelle Differenzen“, „andere Länder andere Sitten“ – all diese schwammigen Phrasen werden mit einem satten Geräusch zur handfesten Realität.
Denn im Gegensatz zu uns Europäern, die wir den Überschuss unserer Nasen- und Mundschleimhäute liebevoll in Zellulose und Aloe Vera verpacken, sind viele Chinesinnen und Chinesen Anhänger der pragmatischern Methode: Tief unten sammeln, kräftig hochziehen und raus damit! Hcccccchrrrt phhhh! Herrlich. Auf der Straße, im Schwimmbad sowieso, im Flugzeug und nicht zu letzt in meinem Wohnheim. Morgens noch im Halbschlaf holt mich das satte Rotzen des eben erwachten Nachtwächters aus meinen Träumen zurück nach China. Am Strand in der Sonne liegend hofft man inständig, der Generator dieses Geräusches möge die Meeresbrise in die Flugkurve mit einberechnet haben. Schon Chinas großer Vordenker zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Sun Yatsen, bemängelte diese Angewohnheit seiner Landsleute. Abstoßend und vor allem gegenüber westlichen Besuchern untragbar erschien ihm diese (Un-)Sitte. Heute, hundert Jahre später, scheint sein Mahnen Gehör zu finden. Erstaunt lauscht der Sinologie Student im Jahr 2006 der Stille im ständigen Lärm Beijings. Am dritten Tag die Erleichterung. Hcccccchrrrt phhhh, ertönt es herzhaft auf dem Gehsteig. Die Umerziehung (für Olympia?) scheint also doch noch nicht ganz vollzogen. Interessant ist auch die Zwischenvariante: Hcccccchrrrt…eilige Schritte zum nächsten Mülleimer…phhhh…die Erleichterung. Auch die Flugkurve in nur zur Seite offene Mülleimer will wohl berechnet sein. Wäre es nun schade, würde es tatsächlich gelingen auch dem bodenständigsten Chinesen das beherzte Ausspucken auszutreiben? Es würde jedenfalls eine (grünlich-gelbe) Farbe aus dem bunten Fächer der interkulturellen Vielfalt unserer Erde nehmen.
Die Gerüche
Eigentlich ist es jetzt – drei Wochen nach meiner Ankunft in China – schon fast zu spät für diesen Eintrag. Denn so richtig intensiv habe ich die Gerüche hier nur in den ersten Tagen wahrgenommen, mittlerweile hat sich meine Nase an Vieles schon gewöhnt. Der meiner Meinung nach „chinesischste“ aller Gerüche ereilt einen in den kleinen Seitenstraßen. Dieser süßlich-faulige Geruch ist so penetrant und fremdartig, so Ekel erregend und abenteuerlich zugleich. Ursprung sind die großen Abfallberge auf den Gehsteigen und ich glaube besonders die vielen verschiedenen Essensreste sind für diesen Geruch verantwortlich.
Zum Glück erwischt man davon in der Regel nur „eine Nase voll“. Gut möglich, dass einem im Weitergehen der Duft der köstlichen Fleischspieße in die Nase steigt, die auf kleinen rechteckigen Kohlegrills auf hungrige Münder warten. Der Geruch in meinem Wohnheimszimmer ist einfacher zu beschreiben: Marke „Nasser Hund“. Ich weiß nicht genau ob das ständige Lüften geholfen hat oder ob ich mich schlicht auch an diesen Geruch gewöhnt habe. Noch nicht gewöhnt habe ich mich ganz eindeutig an den Geruch, der aus meinem Badezimmer kommt, wenn es hier im Haus gerade warmes Wasser gibt und alle eifrig duschen. Das riecht – nun ja – nach alle dem was in den Rohren so unterwegs ist. Ähnlich ist auch der Geruch in den Toiletten an der Uni, der beweist, dass längst nicht alle Austauschstudenten mit den chinesischen „Loch im Boden“ - Toiletten umgehen können. Erholen können sich sämtliche Geruchsnerven am Meer, der salzige Geruch von endloser Weite entschädigt für alles andere. Überglücklich habe ich neulich meine Nase in dem auf der Leine getrockneten Handtuch vergraben. „You can smell sunshine.“ So hat ein australischer Freund diesen Geruch einmal beschrieben. Und in diesem Handtuch konnte man wirklich die Reinheit jedes einzelnen Sonnenstrahls riechen.
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